68

Das 68er Album

Die Lieder

Das Medium

"68" ist der Titel des dritten Albums der Band. Nach dem ersten Studioalbum Bild dir eine Ausstellung und dem Live-Album aus dem Filmclub der TU Chemnitz Solche Mittendrin folgt nun das erste STUDIO-Album der Band, da es im Larox-Tonstudio aufgenommen wurde. Dadurch hat es spürbar an akustischer Qualität gewonnen und wir sind Hilmar Habrom für die vielen schönen Stunden und das spektakuläre Ergebnis dankbar.

Besonders ist die Tracklist, die anhand von Ereignissen des Jahres '68 entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um Ereignisse vom 01. April bis zum 13. April. Die Kurzerläuterung aus dem Booklet:

1.4.1968 Die „Sankt Pauli Nachrichten“ erscheinen erstmalig. Heute ein billig produziertes Schmuddelheftchen, spiegelte diese Zeitung 1968 ein breites Aufbegehren wider: Gesellschaftskritik und Nacktheit. SPN und 'Konkret'. Stefan Aust war zeitgleich Chefredakteur. Ein scheinbarer Widerspruch. Die derzeitige Entpolitisierung der Zeitschrift schlägt den Bogen zum „Schlaflied“. Dieses bezieht sich auf das unsägliche Gegen-Politik-in-der-Musik-Interview von Sven Regener in der taz 2005. Ein bisschen ist der Sänger wie die Sankt Pauli Nachrichten. Schlaf schön.
2.4.1968
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Kaufhaus-Brandanschläge in Frankfurt. Viele sehen die Brandanschläge, deren hoher Sachschaden vor allem durch die einsetzende Sprinkler-Anlage entstand, als Beginn der RAF. Die Idee, Gewalt vorsätzlich als Argument einzusetzen, scheint vielen als qualitativer Wandel in den Ereignissen 1968. Dabei ist die älteste aller Konfliktlösungsstrategien, die archaische, physische Gewalt vielleicht wirkungsvoll, aber eben nicht neu. „Revolution 7 von 4“ handelt davon, dass nicht jede Revolution eine ist, nur weil sie so genannt wird.
3.4.1968 Premiere von "2001: A space odyssee" in New York. Stanley Kubrick schuf mit diesem Film einen Meilenstein der Filmgeschichte, der als der beste Science-Fiction-Film aller Zeiten gilt. Das Lexikon des internationalen Films nennt das Meisterwerk eine "technische Utopie und kulturphilosophische Spekulation … von überwältigendem Ausmaß". Das Lied bezieht sich auf die seltsame Symbiose zwischen Künstlern und Publikum, diesem wilden Reigen aus Geben und Nehmen. Bitteschön. Dankeschön.
4.4.1968 Ermordung Martin Luther Kings in Memphis. Kaum ein Mensch hat die Welt inspiriert wie der Prediger aus Atlanta. Die gewaltlosen Proteste und Kundgebungen, seine Inhaftierungen und der andauernde Versuch, ein brutales und unmenschliches System zu ändern, ohne selbst so zu werden, bleibt ein Fanal der Menschlichkeit. Artgerechte Haltung bedeutet, sich aufzurichten, weil der Boden keine Heimat sein kann. Aufstehen und sehen und die Wut hinausschreien. Als Mensch. In artgerechter Haltung.
5.4.1968 Beschluss des Aktionsprogramms der Kommunistische Partei der Tschechoslowakei. Die Inspiration, die vom Prager Frühling ausgeht, ist nach wie vor ungebrochen. Obwohl das Aktionsprogramm spät kam und doch nur Freiheiten festschrieb, die im gesellschaftlichen Alltag bereits umgesetzt wurden, war es doch ein Zeichen, das letztendlich zur Niederschlagung führte. Doch auch im Protest gegen die Invasion zeigte sich, dass in diesem Land eine neue Gesellschaft mündig geworden war. Revolution. Wie 1789.
6.4.1968 Der einzige Volksentscheid in der DDR. Der Entscheid über die neue Verfassung der DDR war auf eine gewisse Art einzigartig, da in dieser Verfassung Volksentscheide als Sicherheitrisiko für die Sozial-Bürokraten abgeschafft wurden. Freiheit heißt auch andere Meinungen und manchmal Unsinn anzuerkennen. Lass das Chaos zu! Inkompetenzkompensationskompetenz
7.4.1968 Die Kampfhandlungen in Khe Sanh werden eingestellt. Die Schlacht bei Khe Sanh war eine der größten und sicher die sinnloseste im ganzen Vietnamkrieg und auch wenn Nixon einen Sandkasten in seinem Büro hatte und sich täglich den Stand desGemetzels erläutern ließ, bleibt die Schlacht ein Mahnmal für Krieg als Prinzip in seiner ganzen Unsinnigkeit. In Kriegen führen Opfer zu Opfern und immer weiter zu Opfern. Weiter, weiter? Oder stehenbleiben und sich lieber Zeit als das Leben nehmen.
8.4.1968 16. Soziologentag in Frankfurt unter dem Thema "Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?". Theodor W. Adorno und Ralf Dahrendorf stritten um die Zukunft der Gesellschaft, die sich 1968 gespalten wie nie zuvor zeigte. Die Frage nach dem Wir ist eine der Grundfragen der Menscheit und ebenso der ständig wiederkehrende Versuch, diese Frage mit einem Wer sind wir nicht zu beantworten. Übrig bleibt ein einsames Ich, dessen Herz keine Heimat findet, aber weiß, wo es nicht zuhause ist. Wer ist wir?
9.4.1968 Einrichtung des Ottilie-Springer-Lehrstuhls an der Brandeis University. Axel Springer bildete 1968 wie kein anderer eine Projektionsfläche für Unmut und Kritik der progressiven Kräfte. Am 9.4. stiftete Springer an der jüdischen Brandeis University in der Nähe von Boston einen Lehrstuhl für westeuropäische Zeitgeschichte. Aus diesem Anlass hielt er eine bewegende Rede zur Bedeutung der Juden im deutschen Geistesleben und Proteste begleiteten den Festakt. Die Welt ist Vielfalt. Gegen kann jeder.
10.4.1968 "In the heat of the night" gewinnt 5 Oscars. Die Verleihung der Academy Awards (wegen Martin Luther Kings Tod um zwei Tage verschoben) stand ganz im Zeichen dieses Spielfilms, in dem ein dunkelhäutiger und ein hellhäutiger Polizist in den Südstaaten der USA ihre gegenseitigen Vorurteile überwinden und einen Fall lösen. Inspiration, die Grenzen überschreitet, die sich und andere entflammt, ändert doch manchmal etwas. Also: "Entfach Dich!".
11.4.1968 Attentat auf Rudi Dutschke. Der wohl streitbarste Kopf der Studentenbewegung war wohl auch einer ihrer intelligentesten. Komplex in seinen Ausführungen, zu komplex, um in der gesellschaftlichen Masse verstanden zu werden, deren Zusammengehörigkeit er doch immer beschwor. Ein Projektionsfläche für Hoffnung und Hass. Ein Idol, die Personifizerung eines Prozesses. Und dahinter ein Mensch, der zweifelt, liebt, sich irrt und doch weitersucht. Als mediale Konstruktion verletzt wird und als Mensch den Schmerz spürt.
12.4.1968 Die Rückkehr der Beatles aus Rishikesh. Mit John Lennon und George Harrison kehrten die letzten Beatles aus Indien zurück. Im Gepäck 48 neue Lieder, die während der 7 Wochen zwischen den Meditationen entstanden.
13.4.1968 Oskar Negt, Frankfurt: "Wer die Sicherung der Freiheit dem Staat, seinen Beauftragten, den Großinstitutionen und machtvollen Organisationen überlässt, ist das Opfer einer fatalen Illusion: er glaubt an die Lebensfähigkeit einer Demokratie ohne Demokraten."
Das geht weiter.


Der Preis

Das 68er Album

Der Preis von 11 EUR wurde im Zuge eines demokratischen Abstimmungsprozesses bestimmt, an dem über 100 Personen teilnahmen und einen beliebigen Preis zwischen 7 und 14 EUR nennen konnten. Dass der Preis so rund ausfällt ist auch ein Zeichen dafür, dass Demokratie nicht zwangsläufig zu Chaos führen muss. :-)

Selbstbeschreibung

Die 13 Lieder über Un- und andere Empfindlichkeiten, die Idee des Menschen, der sich nicht Abfinden will und lässt. Schnelle Musik zu Sache und weiter. Absolut Konzept über das Anderswollen. Metarevolutionär.

Fremdbeschreibung

Stadtstreicher 12/08: Klar

Solche:: 68 (Veröffentlichungsdatum: 06.12.2008)
Kategorie: Sonstige

Ein Jahr wäre nicht vollkommen, würden Solche es ohne einen Plattenrelease verstreichen lassen. Pünktlich zum Nikolaus stecken die beiden Chemnitzer etwas Revolution in ungeputzte Stiefel. Was soll ich groß um den heißen Brei reden: "68" ist nicht nur ein rundes Hörerlebnis, auch die sauberen Akustiknummern bestechen erneut mit textlichen Gemeinheiten und klaren Gedanken. Es kommt eben nicht von ungefähr, dass Solche auch mal in Bibliotheken spielen dürfen. Schließlich sind sie viel mehr als nur die lokale Akustik-Alternative zu lauten Bands von der Sprachmülldeponie. Chemnitz darf stolz auf die einzige und bitte auch allererste Studentenband dieser Stadt sein, die eigentlich keine Studierenden sind. "Stehenbleiben" und "Artgerechte Haltung" müssen 2009 zu den Hymnen auf Studentenpartys werden - sollte es die hier fern der Mensa noch irgendwo geben.

MH


Am 6.12.2008 erschien das neue und nunmehr dritte Album der Chemnitzer Akustikrockband "Solche" . Die Band, die vor allem durch besondere Konzerte, z. B. im Chemnitzer Stadtverordnetensaal, und ihre ausgedehnten Tourneen durch Russland mit Konzerten in Jakutsk oder in Moskau auf dem Roten Platz bekannt ist, legt mit dem neuen Album "68" eine Reminiszenz an den Menschen an sich vor, der sich nicht mit seiner Situation abfinden will. Dass dabei die Texte nicht bei platten Phrasendreschereien stehenbleiben, sondern mit Perspektivwechseln und Wortakrobatik die Grenzen der Sprache erweitern und neue Sichtweisen entwickeln, fügt sich passend zur minimalen, aber doch treibenden Musik dieser Zwei-Mann-Band.


Eine sehr schöne Review bei venue music